Das Friedhofwesen Kaldauen

Bis zum Jahre 1960 hatte Kaldauen keinen eigenen Friedhof. Jahrhundertelang war das Bestattungswesen eine Aufgabe der christlichen Kirchen, deren Auftrag es war und ist, Barmherzigkeit zu üben. Und zu den Werken der Barmherzigkeit zählt auch, die Toten zu bestatten, für sie zu beten und die Trauernden zu trösten. Das Ziel des gläubigen Christen ist, nach seinem Tod in die Nähe Gottes, in den Himmel, zu kommen. Also wurden in der Vorzeit Friedhöfe möglichst in die Nähe der Kirchen angelegt, damit die Toten auf die Fürsprache und Begleitung eines Heiligen vertrauen konnten, dessen Reliquie im Altar des nahegelegenen Gotteshauses ja aufbewahrt wurde. Ich weiß, dass evangelische Christen diese Überzeugung so nicht teilen, bitte aber um Verständnis, dass ich so argumentiere, denn in den 950 Jahren, in denen Kaldauen offiziell besteht, lebten hier bis zum Ende des zweiten Weltkrieges – bis auf eine Familie – ausschließlich Katholiken. Für diese Menschen war bis zum Jahre 1854 die St. Michaelskirche in Hennef-Geistingen die zuständige Pfarrkirche. Allerdings musste die Kaldauer Toten nicht zum dortigen Friedhof gefahren werden. Man nutzte vielmehr die Ruhestätte in unmittelbarer Nähe der Seligenthaler Klosterkirche. Bis zur Beisetzung blieben die Toten in ihren Häusern aufgebahrt, ab 1871 wurde aber auch die kleine Kapelle an der Kapellenstraße in Kaldauen für die Aufbahrung genutzt. Am Tage der Beisetzung zogen die Leichenzüge von Kaldauen nach Seligenthal, meist unter großer Beteiligung der örtlichen Bevölkerung. Gefährlich wurde es während des zweiten Weltkrieges, wenn englische Tiefflieger solche Prozessionen ins Visier nahmen. Mit der Verlegung des Pfarrsitzes der Katholischen Kirchengemeinde von Seligenthal nach Kaldauen im Jahre 1952 und den Planungen zur Errichtung einer neuen Pfarrkirche am Antoniusweg stellte sich auch die Frage der künftigen Ruhestätte für verstorbene Kaldauer. Nach dem Verständnis des damaligen Pfarrers Paul Moog von einer für die Belange der Gemeindemitglieder möglichst umfassend sorgenden Gemeinde sollte entsprechend der alten Tradition ein in kirchlicher Trägerschaft befindlicher Friedhof in unmittelbarer Nähe der künftigen Pfarrkirche angelegt werden. Er stellte 1954 sein Konzept – 1.700 Grabstellen auf einer Fläche von 8.600 Quadratmetern – dem Gemeinderat der amtsangehörigen Gemeinde Braschoß, zu der Kaldauen damals noch gehörte, vor. Dieser lehnte die Initiative aber mit deutlicher Mehrheit ab und favorisierte einen kommunalen Friedhof. Damit war der Kirchenvorstand von Liebfrauen Kaldauen aber keineswegs einverstanden und startete im April 1955 eine Unterschriftenaktion. Über 80 Prozent der befragten Kirchenmitglieder sprach sich für eine Anlage in der Ortsmitte aus. Ihr Anliegen wurde unterstützt durch das Kreisgesundheitsamt in Siegburg, das in einem ausführlichen Gutachten alle Voraussetzungen als gegeben ansah. Aber die Kommunalgemeinde ließ sich nicht umstimmen und begann Verhandlungen mit dem Orden der Alexianer über den Erwerb einer dem „Haus zur Mühlen“ gehörenden Waldparzelle, die nach dem Ende des zweiten Weltkrieges vorübergehend als Sammelplatz für unbrauchbar gewordene Kriegsgeräte diente. Der Kirchenvorstand gab schließlich seinen Widerstand auf und unterstützte später nachdrücklich diese Planung. Vielleicht lag es daran, dass im Hinblick auf die damals prognostizierte Einwohnerzahl von 20.000 für Kaldauen eine zweite Kirche im Bereich der heutigen Kindertagesstätte „Murkel“ und die Verlegung des Siegburger Krankenhauses aus der Innenstadt auf die sogenannte „Zigeunerwiese“ (jetzige Grünzone zwischen Kaldauen und Stallberg) im Gespräch war, aber doch nicht verwirklicht wurde. Am 3. April 1960 – also vor 61 Jahren – weihte Pfarrer Moog den Friedhof ein. Seitdem haben viele Kaldauer und Stallberger hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Ein Friedhof im besten Sinne, ein Friedensort, eine Kulturstätte der besonderen Art, die der bleibenden Würde eines Menschen auch nach seinem Tod gerecht wird. Inzwischen wurden hier 4.500 Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche bestattet. 1977 wurde der Waldfriedhof in Richtung Stallberg erweitert, seit 1996 besteht dort zudem die Möglichkeit, in Grabkammern und – einige Jahre später – in einem „Friedhain“ beigesetzt zu werden. Überraschend groß ist derzeit die Zahl der Gräber, die von der Stadtverwaltung als „ungepflegt“ bezeichnet werden, siehe Aushang an der Friedhofskapelle. Die verwilderten Grabstellen stören sehr das Gesamtbild der ansonsten gut gestalteten Ruhestätte. Es wäre erfreulich, wenn sich Menschen finden würden, die sich um solche Gräber kümmern, um zumindest die gröbsten Missstände zu beseitigen. Gar nicht gut empfinden es viele Angehörige von Toten auch, dass immer wieder Spaziergänger ihre Hunde über den Friedhof führen. Vielleicht schafft die Kreisstadt Abhilfe durch die Anlegung eines Spazierweges, der um den Friedhof herumführt; denn der aus Richtung Mühlenhofweg kommende Waldweg endet am Eingangstor, ohne dass sich eine Weiterführung außerhalb der Ruhestätte anbietet.

Nicht weit vom Waldfriedhof entfernt, in dem zwischen Stallberg und Kaldauen gelegenen Waldstück, befinden sich übrigens sechs sogenannte „Hügelgräber“ von Menschen, die vor mehreren tausend Jahren begraben wurden; sie stammen aus der Bronze- und Eisenzeit. Hinweisschilder und Wegweiser führen aus gutem Grund nicht zu den fraglichen Waldparzellen. Durch die „bleibende Anonymität“ soll verhindert werden, dass Amateurforscher und Antikenhehler strafrechtswidrig die Erde durchwühlen und alte Zeugnisse unwiederbringlich zerstören.  Nach den Erkenntnissen der Wissenschaft wurden die Gräber von den Angehörigen der Verstorbenen durch eine zwei bis drei Meter kreisrunde hohe Erdaufschüttung markiert, eine Form der damaligen Selbstdarstellung. Grabbeigaben dienten dazu, den Toten den Weg ins Jenseits zu erleichtern. Im Laufe der Jahrtausende wurden die Erdhügel durch Witterungseinflüsse allerdings so abgeflacht, dass sie für ein ungeschultes Auge nicht mehr als Grabstätten unmittelbar erkennbar sind. Auf einer Veranstaltung der Bürgergemeinschaft Kaldauen am 9. Oktober 2021 führte der in Kaldauen wohnende Archäologe Dr. Ulrich Hofmann eine große Gruppe Interessierter zu zwei dieser Gräber und informierte seine Zuhörer über die Grablegungen aus grauer Vorzeit.

Ulrich Tondar

18. Oktober 2021

Fotos:

Pfarrer Paul Moog (1903 – 1978) gab den Anstoß zur Anlegung eines Friedhofs in Kaldauen.

Kapelle auf dem Waldfriedhof.